Gegen Schulstress: Entspannung, Rituale und Mut zum Mittelmaß

Viele Kinder leiden unter Schulstress, Mädchen häufiger als Buben. Der eigene Perfektionismus, zu viele Freizeitaktivitäten und hohe Maßstäbe der Eltern können SchülerInnen überfordern. Manche reagieren mit psychosomatischen Beschwerden wie Kopf- oder Bauchweh. Christa Schirl, Psychotherapeutin beim Kinderhilfswerk, gibt im Interview Müttern und Vätern Anregungen, wie sie den Schulstress ihrer Kinder erkennen und damit umgehen können.

Wie erkennt man, dass ein Kind betroffen ist?

Christa Schirl: Jüngere Kinder klagen häufig über Bauchschmerzen, können schlecht einschlafen und wirken deprimiert. Jugendliche leiden vermehrt unter Rückenbeschwerden, aber auch unter Kopfschmerzen oder Schwindel. Sie fühlen sich einfach niedergeschlagen, überfordert oder sind gereizt. Wenn es keine organischen Ursachen für diese Beschwerden gibt, sind die Eltern gefordert, nachzufragen, wie sich das Kind fühlt und wie es seinen Alltag erlebt.

Wodurch kann Schulstress ausgelöst werden?

Christa Schirl: Ursachen gibt es viele. Als besonders belastend erleben Kinder ein schwieriges Klassen-Klima, ausgelöst durch Mobbingvorgänge oder Lehrpersonal, das als ungerecht oder überfordernd erlebt wird. Wenn zusätzlich Leistung in der Familie als wichtigster Wert gilt und es einen hohen Anspruch an Perfektion gibt, können noch Versagensängste oder Gefühle der Minderwertigkeit dazukommen. Belastend kann es auch sein, wenn das Kind unter einer Lernstörung wie Legasthenie oder Dyslexie leidet, ohne dass dies diagnostiziert wurde.

Was können Eltern tun, wenn Sie Schulstress bemerken?

Christa Schirl: Dem Kind Liebe und Geborgenheit vermitteln und gleichzeitig überprüfen, was die Ursache des Stresses ist. Wenn der Verdacht auf eine Lernstörung besteht, ist es wichtig, zu überprüfen, ob und welche Lernschwäche vorliegt (Anmerkung der Redaktion: Anlaufstelle z.B. www.kinderhilfswerk.at). Eltern sollten auch überlegen, welche Werte sie den Kindern vorleben. Wie wird Freizeit erlebt? Ist es wirklich freie Zeit oder ist Freizeit eine mit Terminen verplante Zeit? Die Vorbild-Funktion der Eltern ist wichtig: Wie gehen Eltern mit Stress um? Wie entspannt sich die Familie?

Welchen Einfluss haben Eltern?

Christa Schirl: Mein Tipp: Achten Sie in der Familie auf ruhige, spannungsfreie Zeiten, in denen sanfte Musik läuft, es möglichst reizarm in der Wohnung ist. Der Umgang mit Haustieren wie zum Beispiel Katzen oder Aquarien kann entspannend sein, ebenso wie das Malen von Mandalas. Raumdüfte oder das Beobachten von Feuer kann beruhigend erlebt werden. Achten Sie auf stille Momente, wo in der Familie Ruhe einkehrt. Ebenso können Rituale Beruhigung und Entspannung vermitteln. Achten Sie darauf, dass das Kind in seiner Freizeit nicht zu viele Termine hat, sodass es wirklich freie Zeit hat, in der es sich mit dem beschäftigen kann, was ihm gerade in den Sinn kommt. Keine Angst vor Langeweile! Langeweile ist gut, sie fördert Kinder in ihrer Kreativität.

Wie können Eltern bei Schulstress helfen?

Christa Schirl: Neben dem Druck durch Lehrer können auch Versagensängste oder Scheu vor sozialen Kontakten mit Mitschülern dahinterstecken, wenn Kinder oft gereizt sind oder schlecht schlafen. Geben Sie Ihren Kindern das Gefühl, dass jeder Mensch Stärken und Schwächen hat, dass es okay ist, Fehler zu machen. Eltern mit einem hohen Leistungsanspruch fordere ich zum Mut zur Mittelmäßigkeit auf. Mittelmäßigkeit kann sehr entstressend wirken. Beachten Sie, dass Sie als Eltern ein Vorbild für die Kinder sind: Wie gehen Sie mit Fehlern um? Was tun Sie, wenn Sie sich überlastet fühlen? Was strahlen Sie als Eltern aus? Wirken Sie ruhig und entspannt oder stehen Sie oft unter Strom? Wie gehen Sie als Eltern mit Konflikten um? Durch Ihre Vorbild-Wirkung haben Eltern einen großen Einfluss. Wir machen Kindern klar, dass sie sich Hilfe holen können, wenn es schwierig wird.

Was tun, wenn das Klassenklima schlecht ist?

Christa Schirl: Damit Kinder gut lernen können, brauchen Sie eine entspannte Atmosphäre. Studien zeigen klar, dass Schüler, die ein schlechtes Klassenklima erleben, wesentlich häufiger von körperlichen Beschwerden betroffen sind, als Kinder, die ein entspanntes Klima vorfinden. Besonders belastet sind Kinder, die gemobbt werden. Chronisches Mobbing kann bei Kindern sehr traumatische Erfahrungen auslösen. Wir fordern Eltern auf, Probleme offen anzugehen, sich mit anderen Eltern auszutauschen und das Gespräch mit der Schule zu suchen. Klassenworkshops, die den Teamgeist und Gemeinsamkeiten fördern, können sich gut auf das Klima auswirken.

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