Atem ist Leben – Mit Voll- und Wechselatmung zu stabiler Gesundheit

Die gesundheitsfördernde Wirkung der Atmung wird heute zu wenig beachtet und genutzt. Regelmäßige Atemübungen gelten im Yoga als Weg zur Gesunderhaltung von Körper und Geist.

„Im Yoga ist man sich dieser hohen Wirkkraft bewusst. Die Qualität des Atems wirkt sich auf den gesamten Organismus aus. Bewusstes Atmen ist ein Instrument für mehr Gelassenheit, geistige Klarheit, innere Ruhe, Vitalität, Ausgeglichenheit, gute Sauerstoffversorgung der Organe, kurzum ein wertvoller Aspekt in der Gesundheitsvorsorge“, sagt Ingrid Eisschill, Diplomierte Yogalehrerin, aus Linz. (Mehr zu ihren Kursen und Aktivitäten auf www.yogaundentwicklung.at).

Unsere Atmung ist unwillkürlich, das heißt wir müssen sie nicht bewusst ausführen. Darum beachten wir sie im Alltag auch meist nicht. Erst wenn uns ein Schock die Luft nimmt, wenn man durch einen Schnupfen kaum Luft durch die Nase bekommt oder man bei Asthma um die Luft ringt, dann merkt man, wie einen der Zustand behinderter Atmung belastet, energielos und erschöpft zurück lässt. Jeder, der schon einmal Atemübungen ausgeführt hat, weiß, wie ausbalanciert er sich danach fühlt. So massiert die Vollatmung die Bauchorgane, vitalisiert den Körper, weil jede Zelle mit Sauerstoff angeflutet wird und der Herzschlag wird ruhig. Wir alle atmen oft im Alltag viel zu flach, was uns von uns selbst und unserer Kraft wegbringt.

Lenkung des Atems = Lenkung der Energie

Atemübungen werden im Yoga ‚Pranayama‘ genannt. Prana bezeichnet im die Lebenskraft, Atmung, Vitalität, Energie. Und ‚Ayama‘ heißt so viel wie Kontrolle. Die Übungen dienen sozusagen der Lenkung der Energie und Lebenskraft.

„Sich seines Atems bewusst zu werden ist ein Prozess des Beobachtens, Wahrnehmens, Kennenlernens und Erfahrens. Atem benötigt Freiheit, daher soll man keine beengende Kleidung tragen. Frische Luft, entspannte Haltung und Geduld sind wichtig“, sagt die erfahrene Yogaexpertin und meint weiter: „Die Beschäftigung mit dem eigenen Atem ist ein Weg, der nach innen führt. Den Atem zu spüren, hilft uns, uns selbst zu spüren“. Sich beobachten: Wie kommt mein Atem, ist er tief, ist er flach, fließt er ungehindert, wo spüre ich ihn (im Bauchraum, Brustbereich etc.).

Optimal ist es, wenn man in der Natur, vielleicht im Wald, an einem Wasserfall, Gebirgsbach oder am Meer üben kann, wo die Luft sehr viele negative Ionen enthält. Diese wirken belebend und vitalisierend auf den Körper. Viele Wissenschaftler sind der Meinung, dass unsere Gesundheit von der Menge und Qualität der Ionen in der Luft, die wir einatmen, abhängig ist. In der Stadtluft sind viele positive Ionen in der Luft. Eine hohe Anzahl von ihnen lässt uns eher niedergeschlagen, lethargisch und müde fühlen.

Ingrid Eisschill nennt einige Übungen, die jeder täglich ausführen kann, um seiner Gesundheit und Ausgeglichenheit, Gutes zu tun.

Volle Yoga-Atmung

Darunter versteht man eine tiefe und bewusste Atmung, die die ganzen Atemräume nützt. Babies atmen von Natur aus in dieser Art „richtig“. Wir verlieren diese Tiefe der Atmung aber und atmen oft zu flach. Die Vollatmung wird auch Drei-Phasen-Atmung genannt und ist eine Kombination von Bauch-, Flanken- und Brustatmung. Es wird durch die Nase ein- und ausgeatmet.

Atemräume spüren

Zunächst ist es hilfreich, die drei Atemräume kennenzulernen. Dies funktioniert am besten im Liegen. Bei der Bauchatmung die Hände auf den Bauchbereich legen und wahrnehmen wie der Atem in den Bauchraum fließt. Mit der Einatmung weitet sich der Bauchraum, mit der Ausatmung senkt sich die Bauchdecke wieder. Bei der Flankenatmung die Hände seitlich an die Rippen legen und auch hier den Atem hinfließen lassen. Einatmend weitet sich der Brustraum, ausatmend verkleinert er sich wieder. Bei der Brustatmung die Hände auf den Brustbereich legen, die Fingerspitzen berühren die Schlüsselbeine. Auch in diesem Bereich versuchen den Atemstrom wahrzunehmen, das Weiten im Einatmen, das Kleinwerden im Ausatmen.

Durchführung der Vollatmung: Wir verbinden die Atemräume, das heißt Bauch-, Flanken- und Brustatmung einatmend. Ausatmend senken sich zunächst die Schlüsselbeine, dann der Brustkorb und zuletzt die Bauchdecke. Wichtig ist es vollständig auszuatmen.

Wirkung der Vollatmung: Sie stärkt unseren Organismus als Ganzes, indem sie uns optimal mit Sauerstoff und Lebenskraft versorgt. Alle Systeme werden in ihren Funktionen unterstützt, die Bauchorgange massiert. Auch der Geist gelangt in eine tiefe Ruhe und Klarheit. Täglich zehn- bis fünfzehn solcher Atemzüge vor dem Einschlafen oder nach dem Aufstehen durchführen.

Wechselseitige Nasenatmung (Nadi Shodana)  

Nadi Shodana bedeutet die Reinigung der Nadis. Nadis gelten im Yoga als feine Energiekanäle, die unseren Körper durchströmen. Bei dieser Technik wird wechselweise nur durch ein Nasenloch aus- und eingeatmet, während das andere verschlossen bleibt. Nimm dazu eine aufrechte Sitzhaltung ein, Schultern und Gesicht sind entspannt. Den Atem ruhig fließen lassen. Die linke Hand am Oberschenkel ablegen. Mit der rechten Hand das „Vishnu-Mudra“ formen – dabei Zeigefinger und Mittelfinger zum Daumenballen einbiegen. Daumen, Ringfinger und kleiner Finger bleiben gestreckt (siehe Foto). Mit dieser Fingerhaltung werden abwechselnd die Nasengänge geöffnet und wieder geschlossen. Mudras sind ein Teil der Yogapraxis und Gesten, die unsere Energien unterstützend lenken können. Dieses Mudra ist nach Vishnu, einem hinduistischem Gott benannt, der als Erhalter und Beschützer der Welt, gilt.  

 

Yogalehrerin Ingrid Eisschill bei der Wechselatmung

Durchführung der Atemübung: Zum Beginnen, die rechte Hand zum Gesicht führen, der Daumen berührt den rechten Nasenflügel, der Ringfinger den linken. Während der ganzen Übung wird durch die Nase geatmet. Nun mit beiden Nasenlöchern ausatmen. Wir beginnen das rechte Nasenloch mit dem Daumen verschließend und atmen mit dem linken Nasenlos ein, nun auch links verschließen, dann rechts öffnen und rechts ausatmen. Nun rechts einatmen, kurz rechts verschließen, dann links öffnen und links ausatmen, wieder links einatmen und links verschließen, rechts ausatmen etc. Setze mehrere Runden im Wechsel fort. Behutsam und achtsam vorgehen, sich Zeit lassen, den eigenen Rhythmus finden. Die Nase wird nur sehr sanft gedrückt, das Gesicht bleibt völlig entspannt. Ein-und Ausatmung sind etwa gleich lang. Wirkung der Wechselatmung: Diese Übung reinigt die oberen Atemwege und harmonisiert das vegetative Nervensystem. Sie löst Blockaden im Energiefluss auf, stärkt die Konzentration und wirkt beruhigend, ausgleichend, stabilisierend.

Man kann durch bestimmte Atemtechniken auch gezielte Wirkung erreichen. Hier zwei Beispiele:

Die Sonnenatmung (Surya Bhedana)

Das rechte Nasenloch ist im Hatha-Yoga "Surya" – der Sonne – zugeordnet. Es steht für die aktiven, nach außen gerichteten Kräfte im Menschen. Wirkung: anregend, erwärmend, aktivierend, erhitzend, verdauungsfördernd. Die Sonnenatmung sollte nicht angewendet werden bei hohem Blutdruck oder in den Wechseljahren, da die Hitze im Körper zunehmen kann. Auch wer zu Nervosität, Angespanntheit oder Aggressionen neigt, soll diese Übung nicht durchführen. Durchführung: Immer zunächst mit einer Ausatmung durch beide Nasengänge beginnen. Im Vishnu Mudra das linke Nasenloch verschließen und rechts einatmen, dann das rechte Nasenloch schließen und links öffnen und durch das Linke ausatmen. Nun wieder links verschließen und rechts einatmen und fortsetzen  etc. Kurz gesagt: Immer rechts einatmen und links ausatmen – ein paar Durchgänge lang und dann nachspüren.

Die Mondatmung (Chandra Bhedana)

Das linke Nasenloch ist im Hatha-Yoga "Chandra" – dem Mond – zugeordnet. Es steht für die nach innen gerichteten, ruhevollen Kräfte im Menschen. Wirkung: beruhigend, kühlend, entspannend. Die Mondatmung soll nicht angewendet werden bei niedrigem Blutdruck, Antriebslosigkeit oder schwachem Kreislauf. „Ich selbst führe die Mondatmung zum Beispiel im Sommer an sehr heißen Tagen zur inneren Kühlung durch“, sagt Ingrid Eisschill. Durchführung: Mit einer Ausatmung durch beide Nasengänge beginnen. Im Vishnu Mudra das rechte Nasenloch verschließen und links einatmen, dann das linke Nasenloch schließen, rechts öffnen und durch das Rechte ausatmen. Nun wieder rechts verschließen und links einatmen und fortsetzen. Kurzum: Immer links einatmen und rechts ausatmen - ein paar Durchgänge und dann nachspüren.

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