Jede zehnte Frau von Endometriose betroffen

Rund zehn Prozent der Frauen sind im gebärfähigen Alter von Endometriose betroffen. Andere Schätzungen gehen von einem Wert bis zu 15 Prozent aus, dennoch ist es eine bisher wenig bekannte Krankheit. Dabei wächst aus noch ungeklärten Gründen Gebärmutterschleimhaut auch außerhalb der Gebärmutterhöhle und kann vor und während der Regel auch an diesen Stellen Blutungen und massive Schmerzen auslösen. "Endometriose kann extrem belastend sein", betonte der Gynäkologe René Wenzl.

Die Erkrankung ist "gutartig, aber gemein" und "wahnsinnig lästig", erläuterte der Leiter des Endometriosezentrums der Medizinischen Universität/AKH Wien. Zudem dauert es oft lange ab den ersten Beschwerden, bis die Betroffenen die Diagnose erhalten - laut einer älteren Erhebung in Österreich durchschnittlich zehn Jahre. Aktuelle Daten gibt es nicht, die Situation für die Patientinnen habe sich aber gebessert und die Zeit verkürzt, berichtete Wenzl aus seinen Erfahrungen. Die Lage sei jedoch "immer noch verbesserbar".

Das Gesundheitsministerium hat im Vorjahr verkündet, dass es eine neue Studie geben soll, deren Ergebnisse für Ende 2023 erwartet werden, sagte Ines Mayer, Obfrau des Selbsthilfevereins Endometriose Vereinigung Austria (EVA). Sie kritisierte, dass die Erkrankung öffentlich und auch von politischer Seite bisher sehr wenig thematisiert wurde. Soziale Medien sowie Prominente, die ihre Endometriose-Erkrankung öffentlich machen, seien indes gut, um Aufmerksamkeit zu erzielen.

"Es ist eine Krankheit, die die Lebensqualität sehr stark beeinflussen kann." Die teils starken Regelschmerzen "sind nur der kleinste gemeinsame Nenner", erklärte Mayer. Jede Betroffene leide auf verschiedene Art und Weise. Das betreffe zum Beispiel die Arbeitsfähigkeit und Belastbarkeit, hinzu komme oft unerfüllter Kinderwunsch wegen der Erkrankung und psychische sowie finanzielle Belastung, "da sehr wenig der anfallenden Kosten für die Patientinnen von den Krankenkassen übernommen werden", sagte Mayer. Die EVA strebe eine Erleichterung in diesem Bereich an.

Nicht jede Patientin leide gleich stark oder ein Leben lang

Zudem könnten einige Jahre die einen Symptome und dann plötzlich andere auftreten. Der erste Weg bei den starken Unterleibsschmerzen, die auch beim Geschlechtsverkehr auftreten können, sollte zur Frauenärztin oder zum Frauenarzt führen, empfahl Mayer. Bei einem Verdacht auf die Krankheit kann aber auch ein praktischer Arzt eine Überweisung an ein Endometriosezentrum ausstellen, von denen es mehrere in Österreich gibt. "Wir versuchen, dass die Patientinnen rasch multimodale Therapien bekommen", sagte Wenzl. Über das Endometriosezentrum der MedUni Wien gibt es neben der Schmerztherapie etwa hormonelle Behandlungen u.a. mit der Anti-Baby-Pille oder der Hormon-Spirale, Ernährungsmaßnahmen und Physiotherapie. Die jeweilige Behandlung hängt laut dem Mediziner von den Beschwerden und dem Behandlungsziel der Patientin ab.

Auch eine operative Therapie mit Schlüssellochchirurgie im Bauchraum zur Entfernung des an den falschen Stellen wuchernden Gebärmuttergewebes ist möglich. "Im Prinzip versuchen wir eine Operation zu vermeiden", sagte Wenzl, beziehungsweise die Endometriose "wenn es geht, nur einmal im Leben zu operieren". Dabei sollten alle betroffenen Regionen, das können auch der Darm oder die Blasenwand sein, "ausreichend saniert" werden.

Ziel sei es, wieder Schmerzfreiheit oder Schmerzarmut der Frau beziehungsweise die Ermöglichung des Kinderwunsches zu erreichen, berichtete der Gynäkologe bei dem Hintergrundgespräch, das von der Firma Intuitive Surgical organisiert wurde, die OP-Roboter herstellt. Durch Roboter-unterstützte Chirurgie könne man bei langen Operationen "entspannter operieren" und "man sieht besser und dreidimensional". Ob die Operationen dadurch auch "besser" durchgeführt werden, dazu fehlen noch Daten, erläuterte Wenzl.

"Wir können wenige Dinge in der Medizin wirklich zu 100 Prozent heilen", sagte der Universitätsprofessor. Es gehe eher um Symptomfreiheit und Lebensqualität, die mit der Operation erreicht werden. Es gibt aber Frauen, die auch ohne OP gut behandelt sind oder in die Wechseljahre kommen und dann keine Beschwerden mehr haben, erläuterte Wenzl. Mit dem Wechsel sei die Erkrankung in den meisten Fällen vorbei.

Wenzl sprach sich für eine spezielle Reha-Behandlung nach einer Operation aus, wie es sie in Deutschland bereits gebe. Zudem forderte der Mediziner wie Mayer als Betroffenenvertreterin, dass Endometriose von Politik, Industrie und Forschung mehr Bedeutung eingeräumt wird. Schließlich würden pro Patientin und Jahr geschätzt circa 10.000 Euro Kosten anfallen. Das betrifft neben den Behandlungskosten auch wirtschaftliche Kosten durch die Zeit des Arbeitsausfalls wegen starker Beschwerden der Patientinnen.

 

Fotocredit (c) APA/dpa/gms/Monique Wüstenhagen

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