Prinzipiell muss zwischen Schulschwänzen, wenn „der Schulalltag lästig“ ist und zugunsten lustvollerer Aktivitäten gemieden wird, der Schulangst und der Schulverweigerung unterschieden werden. „Die Schulangst ist eine Angststörung, die aus verschiedenen Gründen entstehen kann“, sagt Dr. Susanne Felgel-Farnholz, Referentin für psychosoziale, psychosomatische und psychotherapeutische Medizin in der Ärztekammer für Oberösterreich sowie langjährige Schulärztin.
Leistungsangst und sozial begründete Ängste
Zum einen gibt es die Furcht vor der alltäglichen Schulsituation, meistens aus Angst vor Überforderung, Leistungsversagen oder Bestrafungssituationen, zum anderen gibt es soziale Gründe, die entweder aus prinzipieller Scheu vor Sozialkontakten bestehen oder durch Misshandlungen und Mobbing durch Mitschülerinnen und Mitschüler entstanden sind. Wenn durch diese Furcht Beschwerden entstehen, wie etwa Bauchschmerzen, Übelkeit, Kopfschmerzen, Zittern oder depressive Reaktionen, dann spricht man von Schulangst. „Schließlich kann es auch zur Schulverweigerung kommen, wenn Kinder frühzeitig den Unterricht verlassen oder gar nicht mehr zur Schule gehen, verbunden mit ausgeprägten Angstzuständen oder Wutausbrüchen“, sagt Dr. Felgel-Farnholz. Diese „Schulphobie“ kann auch durch Trennungsängste vom Zuhause, den Eltern begründet sein.
Die Angst hat viele Facetten. Sie kann in Situationen auftreten, die manchen nicht behagen: wenn man etwa von der Professorin/vom Professor bzw. von der Lehrerin/dem Lehrer im Unterricht vor allen anderen angesprochen wird, wenn man von anderen gehänselt wird oder auch einfach nur die Angst hat, eine schlechte Arbeit zu schreiben. Oft ziehen sich die betroffenen Kinder zurück, gehen „einsamen“ Hobbys nach und meiden soziale Interaktionen. Achten Sie als Eltern daher auf solche Signale und etwaige Veränderungen. Vor allem dann, wenn sie sich – wie oben beschrieben – in psychosomatischen Reaktionen manifestieren, die dann meist nicht Ausdruck einer organischen Erkrankung sind. Dass ein Kind vor einer Schularbeit oder einem Test nervös ist, ist ganz normal. Wenn sich das aber schon lange vorher und intensiv ankündigt, so sind das Warnsignale, die man bei einer Fachärztin bzw. Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie oder einer Fachärztin bzw. Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie abklären sollte.
Lockeres Entschuldigen ist der falsche Weg
Viele Eltern erkennen die Angst und wollen ihre verängstigten Kinder beschützen, etwa durch Entschuldigungsschreiben für das Fernbleiben vom Unterricht. Aber: dieses Vermeidungsverhalten, das Ausweichen der Angstsituation, kann die Angst verstärken und das Fernbleiben vom Unterricht wird sich wohl oder übel in der Notengebung auswirken, was die Leistungsangst nochmals befeuern könnte. Es ist also ein Teufelskreis, den man nur durchbrechen kann, wenn man der Angst ins Auge sieht. Denn Schulangst ist behandelbar.
Zuerst lassen sich die schulischen Leistungen per Intelligenzdiagnostik abklären. Wenn diese kein Defizit ausweist, kann das das Selbstvertrauen der Kinder stärken. Bei Lernschwächen sollte man die Lerntechniken hinterfragen bzw. ändern. Suchen Sie Kontakt mit dem Lehrpersonal, das eine etwaige Schulangst berücksichtigen kann, oder auch mit dem schulpsychologischen Dienst. Setzen Sie Ihre Kinder nicht unter Druck, sondern stehen Sie ihnen bei den Problemen bei. Das gibt ihnen Kraft und Rückhalt.
Keine Beruhigungsmittel für Kids und Teenies
Verabreichen Sie Ihren Kindern auch keine Medikamente ohne Rücksprache mit einer Ärztin bzw. einem Arzt. Prinzipiell sollten Kinder in der Lage sein, Situationen in denen sich Angst aufbaut, selbst zu meistern. Das ist auch für die weiteren Lebensjahre wichtig. Bei hartnäckigen Ängsten ist aber jedenfalls eine fachärztliche Diagnostik und Behandlung empfehlenswert. „Dies sollte so rasch wie möglich erfolgen, denn die Wiederaufnahme eines regulären Schulbesuchs wird umso schwerer, je länger die Ängste oder die Schulverweigerung bestehen“, sagt Dr. Felgel-Farnholz.
Fotocredit (c) adobe stock / Sonja Calovini