Turnusärzte sind keine billigen Systemerhalter

Der Ärztemangel hat auch zur Folge, dass die praktische Ausbildung der Ärzte nach dem Studium oft zu kurz kommt. Spitalsärzte-Obmann Dr. Harald Mayer und Turnusärzte-Vertreterin Dr. Doris Müller warnen davor, Turnusärzte als billige Arbeitskräfte zu missbrauchen.

Was läuft im Turnus falsch?

Mayer: Das Lernen, die Arbeit an den Patienten unter Aufsicht und Anleitung, sollte im Vordergrund stehen. Die Realität sieht aber oft anders aus: Routine- und Pflegetätigkeiten bestimmen den Alltag der Turnusärzte – für die Ausbildung bleibt zu wenig Zeit …

Müller: … es ist ja grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden, dass Turnusärzte lernen, Infusionsflaschen zu wechseln und Injektionen zu verabreichen. Die Betonung liegt aber auf lernen – die tägliche Routine dauert oft mehrere Stunden, da ist kein Lerneffekt mehr da.

Viele junge Ärzte zieht es nach dem Studium in die Ballungsräume oder ins Ausland. Kleinere Spitäler an der Peripherie können ihre Turnusstellen oft nicht mehr nachbesetzen. Was muss passieren, um Österreich – und vor allem ländliche Gebiete – für Jungärzte wieder attraktiv zu machen?

Mayer: Eine Top-Ausbildung muss im Vordergrund stehen – davon profitieren die Kollegen, die Spitalsträger und natürlich die Patienten. Turnusärzte sind keine billigen Systemerhalter! Die Ärztekammer hat schon vor vielen Jahren ein Turnusärztetätigkeitsprofil erarbeitet, das mittlerweile von vielen zumindest teilweise umgesetzt wird. Es muss für die Spitalsabteilungen einen Anreiz geben, ihre Jungärzte gut auszubilden. Wir haben deshalb österreichweit eine Turnusevaluierung laufen, wo die Jungärzte die Ausbildungsqualität in den einzelnen Abteilungen beurteilen. Es spricht sich herum, wer besonders gute, aber auch wer besonders schlechte Bewertungen hat …

Obwohl nicht vorgeschrieben, ist es bei vielen Spitalsträgern immer noch üblich, die drei Jahre Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin als Voraussetzung für die Ausbildung zum Facharzt zu verlangen. Die Ausbildung wird damit im Vergleich zu anderen EU-Ländern sehr lange …
Mayer: In Summe sind das mindestens neun Jahre praktische Ausbildung nach dem Studium! Kein Wunder, dass viele ins Ausland gehen, wo man gleich mit der Facharztausbildung beginnen kann!

Bezüglich der Ausbildung zur Allgemeinmedizin fordert die Ärztekammer mehr Praxis in der Ordination …
Müller: Wir setzen uns seit langem dafür ein, ein einjähriges Praktikum in einer Ordination für Allgemeinmedizin – die Lehrpraxis – verpflichtend in den Turnus zu integrieren – nur so wird man auf den Beruf des Allgemeinmediziners vorbereitet …

Mayer: … so könnte man die Jungärzte auch verstärkt zur Allgemeinmedizin motivieren: Wer den Alltag in einer Ordination bereits kennt und die speziellen Anforderungen an die Allgemeinmedizin, wird sich eher zu diesem Beruf entscheiden.

Die Lehrpraxis bringt also eine bessere Ausbildung und wirkt dem Mangel an Allgemeinmedizinern entgegen – warum gibt es sie noch nicht?

Mayer: Weil eine flächendeckende Einführung derzeit an der Finanzierung scheitert. Hier sind die Länder und der Bund gefordert. Die vierzehn Millionen Euro, die dafür notwendig wären, würden sich in vieler Hinsicht bezahlt machen!

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