„Ärztin und Mutter – wie das geht?“

„Meine Familie ist für mich extrem wichtig und der Wunsch nach Kindern war bei mir immer schon sehr stark ausgeprägt“, erzählt Allgemeinmedizinerin Dr. Angelika Reitböck ganz offen. Dass ihre Tochter aber eher später als früher auf die Welt gekommen ist, liegt unter anderem auch an dem Ausbildungssystem des Arztes. „Mutter werden während des Turnus? Das ist theoretisch zwar möglich, aber in der Praxis völlig unüblich. Ärztinnen bekommen ihre Kinder wenn, dann eher nach Abschluss der gewünschten Ausbildungen“, so die Bezirksärzte-Stellvertreterin von Kirchdorf. Welchen Weg sie nach dem Turnus einschlagen sollte, war für Dr. Reitböck anfangs keine leichte Entscheidung. „Natürlich überlegt man lange hin und her, wägt ab, spricht häufig mit dem Partner darüber. Da mein Mann selbst Arzt ist, bringt er viel Verständnis für mich und meine Bedürfnisse auf.“
„Man muss auch verzichten“
Die Allgemeinmedizinerin erklärt, dass gute Organisation, sowie der Rückhalt des Partners wesentliche Erfolgsfaktoren für eine funktionierende Zweierkonstellation „Familie & Karriere“ darstellen. Jeden 3. bzw. 4. Tag Bereitschaftsdienst und zweimal im Monat am Wochenende arbeiten – zusätzlich zu den Ordinationszeiten – zollen ihren Tribut. „Dass der Partner dann im Haushalt mitanpacken muss und das Kind Verständnis hat, wenn man eine Choraufführung einmal nicht besuchen kann, ist zwar nicht selbstverständlich, aber Voraussetzung“, zeigt Dr. Reitböck auf. Langes Planen im Vorhinein gestaltet sich für die niedergelassene Ärztin grundsätzlich schwierig. „Als meine Tochter ein Musikinstrument lernen wollte, wurde mir wieder einmal bewusst, wie hart es sein kann, unsere Familienbedürfnisse und meine Arbeit unter einen Hut zu bringen. Ich müsste im Vorhinein wissen, wann der Unterricht stattfindet, die Musikschulen richten sich aber leider nicht nach anderen Wünschen.“ Die Ordinationszeiten seien zwar ein fixer Bestandteil ihres Berufsalltages, dennoch sind Visiten und Bereitschaftsdienste nicht vorhersehbar.
Traumberuf mit Änderungsvorschlägen
„In letzter Zeit werden wir Ärzte mit vielen Systemänderungen konfrontiert – Dokumentation und Auswertungen häufen sich – Zeit, die ich eigentlich für meine Patienten aufbringen möchte, wird langsam aber sicher immer weniger. Das stört mich ungemein“, kritisiert Dr. Reitböck. Nichtsdestotrotz ist sie Medizinerin mit Leib und Seele. „Gerade am Land wird der Beruf Arzt ganz anders geschätzt als in der Stadt, zumindest empfinde ich das so.“ Dass familienfreundlichere Bedingungen für Ärztinnen geschaffen werden müssen, liegt ihr aber sehr am Herzen. „Die Pensionswelle hat auch in meiner Umgebung eingeschlagen – die Kassenstelle in Wartberg ist seit einem halben Jahr ausgeschrieben – und es gibt noch immer keine Bewerber!“ Prozentuell gibt es mehr Ärztinnen-Nachwuchs und wenn man nicht möchte, dass diese ihre Kinder immer später bekommen bzw. sich gänzlich gegen Nachkommen entscheiden, muss man endlich handeln. „Ärztin ist ein Traumberuf, neben dem man natürlich auch eine Familie gründen kann. Aber glauben Sie mir, vielen weiblichen Ärzten würde ein Stein vom Herzen fallen, wenn es neue Gemeinschaftspraxismodelle gäbe“, bringt Dr. Reitböck ihre Meinung auf den Punkt.
Für Ärztekammerpräsident Dr. Niedermoser gehen mit familienfreundlicheren Arbeitsbedingungen auch positive Effekte gegen den Landärztemangel einher:
„Eine Anstellung in einem Spital im Stadtgebiet ist besser mit dem Familienleben vereinbar als eine Ordination am Land: Die Jobmöglichkeiten für den Partner und die Kinderbetreuung sind oft besser, die Dienste sind planbarer. Gemeinschaftspraxen mit mehreren ÄrztInnen können hier einen wirkungsvollen Lösungsansatz darstellen.“