Poliomyelitis anterior acuta, kurz: Polio - im Volksmund als Kinderlähmung bekannt, ist eine akut auftretende und hochinfektiöse Viruserkrankung, die das zentrale Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) betrifft und zu Lähmungen der Arme, Beine sowie der Atmung führen kann.
Dr. Ulrike Waltl, Impfreferentin der Ärztekammer für Oberösterreich, Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde und Ärztin für Allgemeinmedizin erklärt: „Das Enterovirus gelangt über Tröpfchen- oder Schmierinfektion sowie über die Aufnahme von kontaminiertem Wasser/Lebensmitteln in den Organismus, vermehrt sich primär im Rachenraum, dann besonders im Darmtrakt und wird anschließend ausgeschieden. Die meisten Infektionen (circa 95 %) verlaufen nach einer Inkubationszeit von etwa 6-10 Tagen symptomlos, manche Personen haben milde, unspezifische Symptome wie bei einer Magen-Darm-Entzündung, Fieber, Hals- oder Kopfschmerzen.“ Jedoch führt die schwerste, genannt paralytische Form, zu Lähmungserscheinungen der Gliedmaßen bis hin zur Atemlähmung - und das bei vollem Bewusstsein. Der Einsatz künstlicher Beatmung bei Zwerchfell-Lähmung (früher nannte man das die Eiserne Lunge) kann über Jahre oder lebenslang erforderlich sein. Tödliche Verläufe sind möglich.
Verheerender Weise kann auch Jahre nach einer Erkrankung das sog. Post-Poliosyndrom zunehmende Lähmungen, Gelenksdeformitäten und Muskelschwund verursachen. Die Medizinerin erinnert eindringlich: „Poliomyelitis kann immer noch nicht behandelt werden – es gibt keine Medikamente dagegen! Aber: Die Impfung schützt!“
Durch die seit Anfang der 1960er Jahre eingeführten weltweiten Impfprogramme sind die Erkrankungszahlen stark zurückgegangen. Es gibt 2 verschiedene Impfstoffe: einerseits die Schluckimpfung mit einem abgeschwächten Lebendimpfstoff und andererseits den seit Beginn der 2000 Jahre auch in Österreich eingesetzten inaktivierten Totimpfstoff. Dieser soll die sehr selten aufgetretene Möglichkeit einer Infektion von Ungeschützten durch abgeschwächte Impfviren ausschließen und besitzt ebenfalls eine ausgezeichnete Wirksamkeit.
2002 erklärte die WHO Europa und nachfolgend auch weitere Erdteile als „poliofrei“. Dieser Zustand ist nun durch internationale Krisen und somit erschwerten und unterbrochenen Impfprogrammen stark gefährdet. Weltweite Bemühungen zur Ausrottung von Polio laufen, es gab und gibt aber immer wieder Erkrankungsfälle in einigen Ländern Asiens und Afrikas – somit können zirkulierende Virusstämme bei fehlendem Impfschutz jederzeit in jedem Land zu Polioausbrüchen führen.
Um das Risiko dieser schweren Erkrankung ohne Therapiemöglichkeit dramatisch zu senken, wird die aktive Grundimmunisierung bestehend aus 3 Teilimpfungen bereits im Säuglingsalter (im Rahmen des Gratis-Impfprogramms) dringend empfohlen. Wichtig sind auch die Auffrischungen, die im Erwachsenenalter in Kombination mit Diphtherie (auch hier gibt es leider steigende Erkrankungszahlen in Österreich), Tetanus und Keuchhusten alle 10 Jahre, ab dem 60. Lebensjahr alle 5 Jahre, durchgeführt werden sollen.
Der Appell lautet also: Schützen Sie sich und Ihre Liebsten – verhindern Sie die schwere Erkrankung und vermeiden Sie Spätfolgen!
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