Übergewicht bei jungen Menschen – Lebensstiländerung statt Diät

Nationale und internationale Studien zeigen seit Jahren auf, dass die Anzahl der übergewichtigen Kinder und Jugendlichen im Steigen begriffen ist – Tendenz anhaltend. Aktuelle Zahlen aus Österreich belegen dies. Jedes 4. Kind in Österreich ist übergewichtig. Je nach Alter und Region sind bis zu einem Drittel betroffen.

Die körperlichen sowie psychischen Folgen sind gravierend. Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates, Bluthochdruck, Typ-2-Diabetes mellitus bis hin zu ausgeprägten Selbstwertproblematiken und Depressionen. Diese Auswirkungen sind hinlänglich bekannt. Auch das Wissen über Kaloriengehalt und Zusammensetzung der verschiedenen Speisen ist heute leicht zugänglich. Dass Bewegung ein wesentlicher Faktor ist, um sein Körpergewicht zu regulieren, wird schon Volksschulkindern vermittelt. Doch was führt trotz des vorhandenen Wissens dazu, dass die Anzahl der übergewichtigen (jungen) Menschen kontinuierlich zunimmt?

Prävention – wie wir Kinder in ihrer Entwicklung stärken können

„Übergewicht ist keine Frage der Intelligenz oder des Wissens über Ernährung. Vielmehr geht es um damit verbundene Emotionen. Die Hirnforschung hat mittlerweile belegt, dass lediglich 10 Prozent des Lebens durch Verstandesleitungen und 90 Prozent durch Gefühle und unbewusste mentale Prozesse bestimmt werden“, sagt Martin Pachinger, Klinischer- und Gesundheitspsychologe und fachlicher Leiter des Kinderhilfswerks.

„Gerade beim Thema Übergewicht ist Prävention, also Vorbeugung, wesentlich. Kinder übernehmen die Essgewohnheiten, wie sie in der Familie gelebt werden. Diese Essgewohnheiten sind jedoch nur ein Faktor. Vielmehr geht es um einen positiven und aktiven Lebensstil. Das Essverhalten isoliert zu betrachten ist viel zu kurz gegriffen“, führt der Psychologe weiter an.

Die Vorbildfunktion der Eltern nimmt hier einen zentralen Stellenwert ein. Ein sehr großer Prozentsatz übergewichtiger Eltern hat übergewichtige Kinder. „Der Begriff der Lebensstilmodifikation wird im Zusammenhang mit Übergewicht immer häufiger verwendet. Es geht um eine vernünftige Lebensführung, eine adäquate Ernährung, gesunde körperliche Aktivität und das Vermeiden schädlicher Verhaltensweisen“, erklärt Martin Pachinger.

„Einer der zentralsten Punkte ist die Förderung des Selbstwerts von Kindern und Jugendlichen. Junge Menschen müssen spüren, dass sie wertvoll sind und bedingungslos angenommen und gemocht werden. Darüber hinaus sind Eltern gefordert die Selbstwirksamkeit ihrer Kinder zu stärken. Junge Menschen sollen Vertrauen in ihr eigenes Tun bekommen, um sich aktiv mit dem eigenen Leben auseinandersetzen zu können“, rät der Psychologe.

Ein gesunder Selbstwert und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten bilden die psychische Basis, um Übergewicht vorbeugen zu können. Essen wird dann nicht zur oft unbewussten Regulation der psychischen Befindlichkeit eingesetzt.

„Eltern sollten sich gemeinsam mit ihren Kindern mit dem Thema des Lebensstils – besser gesagt Familienstils – auseinandersetzen. Folgende Fragen können hierbei hilfreich sein“, meint der Psychologe:

  • Gestalten wir unser Leben aktiv, bewegen wir uns regelmäßig in der Natur?
  • Neigen wir grundsätzlich zur Aktivität oder ist unser Lebensstil eher von Passivität geprägt?
  • Wie sieht das Verhältnis der Zeit aus, die wir vor dem Fernseher/PC bzw. mit Spielen, Spazierengehen oder Schwimmen gehen verbringen?
  • Setzen wir uns aktiv mit den Themen Gesundheit und gesunde Ernährung auseinander?
  • Wie sieht die Jause für die Schule aus?
  • Sind wir bemüht den Selbstwert und das Selbstvertrauen unserer Kinder zu stärken?
  • Gibt es gemeinsame Essensrituale und gemeinsame Essenszeiten oder isst jeder für sich alleine (vor dem Fernseher, PC)?
  • Leben wir als Eltern das vor, was wir uns bei unseren Kindern wünschen würden?
  • Wie gehen wir mit dem Setzen von Grenzen um? Fällt es uns schwer unseren Kindern Grenzen zu setzen, auch manchmal „Nein“ zu sagen – auch in Bezug auf das Essen?

Auf den Punkt gebracht

Das Thema Übergewicht ist sehr komplex. Die Fülle an Informationen, Studien und oft widersprüchlichen Empfehlungen führen nicht selten zu Verwirrung und in der Folge zu Frustration.

„Die Kernbotschaft lautet: Eltern sollen sich gemeinsam mit ihren Kindern aktiv mit dem Thema Gesundheit auseinandersetzen. Natürlich beeinflussen gesellschaftliche und technologische Veränderungen unser Leben. Es geht jedoch um die aktive Auseinandersetzung mit diesen Veränderungen, um wieder ein gesundes Gespür zu entwickeln, was uns gut tut. Die Auseinandersetzung mit dem persönlichen Lebensstil und der eigenen Gesundheit ist ein lebenslanger Prozess – und dieser sollte schon bei den Kindern beginnen“, sagt Martin Pachinger abschließend.

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