Mythen vom Sterben – der Tod als Tabu

Beim diesjährigen Welthospiztag am 12. Oktober geht es um den bewussten Umgang mit Tabus und Mythen im Zusammenhang mit der letzten Lebensphase.

Keine Frage: In den letzten 10 Jahren deutlich verbessert hat sich der Wissensstand zum Thema Palliative Care sowie zu dem, welche Bedürfnisse Menschen in der letzten Lebensphase haben, welche Unterstützung sie und ihre Angehörigen benötigen. „Leider weit verbreitet sind auch im Gesundheits- und Sozialbereich nach wie vor viele Mythen rund um das Sterben und zu Palliative Care“, analysiert Dr. Christina Grebe,
Palliativmedizinerin in Vöcklabruck und Vorstandsvorsitzende des Landesverbands Hospiz Oberösterreich.

So gibt es Ängste und Vorbehalte, wenn Menschen auf Palliativstationen verlegt werden sollen. „Der Mythos ist: Dort sterben die Menschen, es gibt keine Hoffnung mehr“, so Grebe. Es stimmt: Auf Palliativstationen werden Menschen mit Krankheiten betreut, die im Sinn einer Reparaturmedizin nicht mehr heilbar sind und wo Aussagen über die noch zu erwartende Lebensspanne gemacht werden können. Gleichzeitig bedeutet Palliative Care auf keinen Fall, nichts mehr unternehmen zu können. Ein sehr wichtiges Thema ist Lebensqualität: Auf einer Palliativstation geht es auch darum medikamentöse, pflegerische und therapeutische Maßnahmen zu setzen, damit der/die PatientIn in den ursprünglichen Lebenszusammenhang zurückkehren kann, dies kann die eigene Wohnung oder ein Pflegeheim sein.

Manchmal verbringt ein Mensch nur einige Tage auf der Palliativstation. „Und ja es stimmt, manchmal sterben Menschen auf der Palliativstation. Vielleicht auch, weil es ein Ort ist wo sie – leider ebenso ein Mythos – nicht das Gefühl haben, jemanden zur Last zu fallen“, berichtet Grebe.
Sehr wichtige Aspekte von Palliative Care sind Schmerzlinderung und das Ernstnehmen, das Gespräch über Ängste. „Es geht auch darum, bestimmte medizinische Maßnahmen zu beenden, weil damit einhergehenden gesundheitlichen Belastungen größer sind als die zu erwartenden positiven Effekte.“ Ein Mythos ist, dass immer alles bis zuletzt versucht werden muss, um jeden Preis. Manchmal werden so zudem falsche Hoffnungen geweckt, eine nahestehenden Menschen 'halten' zu können. Palliative Care umfasst ein sehr breites Feld an Maßnahmen, die auch den sozialen Bereich sowie spirituelle Aspekte betreffen. „Es ist also bis zuletzt noch sehr, sehr viel möglich und wichtig!“, betont Grebe.
Ein weiteres Vorurteil in Bezug auf die letzte Lebensphase ist, dass Angehörige oder Kinder „dort“ nichts verloren hätten. „Nahestehende Menschen spielen gerade hier eine ganz wichtige Rolle, ermöglichen oft überhaupt den Wunsch der meisten Menschen: Ihre letzten Lebensmonate-, -wochen-, -tage, -stunden Zuhause zu verbringen.“ Für Grebe wichtig ist, gegenüber Angehörigen eine klare und einfühlsame Sprache zu finden, wobei es unbedingt Räume im umfassenden Sinn braucht, wo begleitete Gespräche mit dem/der PatientIn stattfinden, seine oder ihre Wünsche gehört werden. Ein Thema ist dabei das Loslassen können und noch einmal Dinge tun zu können, die einem/einer wichtig sind. „Kinder brauchen sicher Erklärungen, die ihrem Alter angepasst sind – gleichzeitig ist das Sterben, der Tod ein natürlicher Teil unseres Lebens, der aktiv und selbstbewusst gemeinsam mit anderen gestaltet werden kann.“

Bei einem Blick auf diese Mythen und Ängsten wird aus Grebes Sicht deutlich: „Auch Ärzte, Pflegepersonen, Sozialarbeiter, Physio- und Ergotherapeuten, Seelsorger etc. benötigen Unterstützung bei der Begleitung von Menschen in der letzten Lebensphase.“ Wicht sind Weiterbildungen und das gemeinsame Entwickeln von Standards – „Ängste vor dem Sterben können dazu führen, dass der Tod als Tatsache verdrängt wird, versucht wird unmittelbar in Alltagsroutinen zurückzukehren.“ Teams in Spitälern, Pflegeeinrichtungen oder im niedergelassenen Bereich können schon in vielen Bereichen bewährte Konzepte umsetzen, durch die 'Palliative Care' mehr wird als ein schönes Wort in Leitbildern.

„Letztlich geht es um eine Haltung, um Achten auf eigene Gefühle und Grenzen, um Strukturen, die die umfassende Begleitung von Sterbenden sowie ihnen nahestehenden Menschen auf eine professionelle und einfühlsame Weise ermöglichen“, wünscht sich Grebe. Zu vermeiden wäre u.a., dass Sterbende in den letzten Tagen doch noch einmal ins Spital eingeliefert werden, obwohl dies aus medizinischer Sicht keinerlei Vorteil bringt.

Rückfragen: Christina Grebe, Tel.: 0699/10 70 31 91

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