Moderne Reisemedizin heißt ganzheitlich denken
Reisevorbereitungen zu treffen, heißt nicht nur, die Koffer zu packen und den Reiseführer zu studieren. Gerade bei abenteuerlichen Expeditionen, die unterschiedliche Belastungen für den Körper hervorrufen können, ist eine rechtzeitige medizinische Ab- und Aufklärung wichtig, so der Reisemediziner Prof. DDr. Martin Haditsch aus Leonding: „In der modernen Reisemedizin müssen wir nicht nur die Risiken bezüglich der erforderlichen Impfungen abschätzen. Vielmehr geht es heute auch darum – individuell nach Ausgangssituation und Urlaubsanforderung – die Reisenden bestmöglich vorzubereiten. Neben Fragestellungen zu Infektionskrankheiten im Allgemeinen und Impfungen müssen heute auch Aspekte wie gewalttätige Übergriffe, Naturkatastrophen oder Unfallverhütung miteinbezogen werden. Die Kunst dabei ist, zu erkennen, was für den Patienten tatsächlich relevant sein könnte, um so gemeinsam den vernünftigen Weg zwischen Hysterie und Ignoranz zu finden.“
Sport – zusätzliche Belastung
Wer als ungeübter Sportler seinen Urlaub zu einem besonderen Erlebnis machen und seine Zeit mit Tauchgängen oder Bergtouren vertreiben möchte, sollte sich vorab im Klaren sein, dass es – aufgrund der nicht oder nur wenig vorhandenen Erfahrungen – zu Komplikationen der unterschiedlichsten Art kommen kann.
So werden beim Tauchen kleine Probleme gerade bei Anfängern zu bedeutungsvollen, wie beispielsweise das Gewicht der Taucherausrüstung, das mit 20 bis 40 Kilogramm einerseits eine massive Belastung für den Körper darstellen, andererseits aber auch Verletzungen aufgrund der eingeschränkten Mobilität bedingen. Von druckabhängigen Risiken wie einem „Barotrauma“ oder einer „Dekompressionskrankheit“ ganz zu schweigen.
Aber auch für jene, die lieber hoch hinauf wollen, gilt: ohne Erfahrungswerte mit gewissen Höhen sollte man sich lieber vorab durchchecken lassen, ob man den Herausforderungen gewachsen ist. Einige dieser Möglichkeiten sind u.a. ein Höhentauglichkeitstest sowie höhenmedizinische Beratung und Risikoanalyse.
Vor Planung einer Reise sollten alle denkbar möglichen Risiken abgeschätzt und überdacht werden:
- In welches Land reist man? Welche hygienischen Bedingungen liegen dort vor? Welche Impfungen sind absolut notwendig, welche zusätzlichen Impfungen sind in Betracht zu ziehen. Auch wenn bestimmte Impfungen mit teils hohen Kosten verbunden sind, gilt es dennoch abzuwägen, welche Kosten, aber viel wichtiger gesundheitsschädlichen Auswirkungen eine Versäumnis der Prävention zur Folge haben könnten.
- Wie hoch wird das Sicherheitsrisiko für das jeweilige Land eingeschätzt? Gewalttätige Übergriffe und schwere Unfälle sind aufgrund einer dürftigen bis gar nicht vorhandenen Infrastruktur einschließlich eventuell nur dürftiger medizinischer Versorgungsmöglichkeiten ebenso zu durchdenken. Aktuelle Informationen dazu bietet die Homepage des Außenministeriums, aber auch der Reisemediziner kann hilfreiche Tipps geben, wie man zusätzlichen Risiken in bestimmten Ländern begegnen kann.
- Welche Unternehmungen stehen am Programm? Ist eine Expedition durch den Dschungel geplant? Begibt man sich im Rahmen einer Trekkingtour auf bislang ungewohnte Höhen oder erkundet man zum ersten Mal die Tiefen des Ozeans? Mit welchen möglichen Risiken man sowohl in der Höhe, als auch in der Tiefe konfrontiert ist – vor allem, wenn Unternehmungen in dieser Art zum ersten Mal stattfinden – sollten unbedingt mit einem Reisemediziner abgeklärt werden. Mittels individueller Tests kann der Reisemediziner schon vorab eine Diagnose über die körperliche Befindlichkeit stellen.
Tipps zum Schutz vor lästigen Reisesouvenirs:
- Infektionskrankheiten werden oftmals von Insekten übertragen. Je nach Reiseziel sollten daher dementsprechende Vorsichtsmaßnahmen wie Repellents für die Haut, Sprays für das Imprägnieren der Kleidung, Moskitonetze, lange Hosen und langärmelige Shirts getroffen werden.
- Viele Impfungen bedürfen einer längeren Entfaltungszeit, um wirksam zu werden. Daher ist es ratsam, sich schon bei der Planung einer Reise vorab mit einem Reisemediziner in Verbindung zu setzen, um die nötigen Impfungen zur richtigen Zeit durchführen zu können. Ein Tropen- oder Reisemediziner kann zudem über eine Vielzahl häufiger aber meist harmloser Erkrankungen informieren, denen man mit bestimmter Prophylaxe gut vorbeugen kann. Je besser man sich über mögliche Gefährdungen auf Auslandsreisen erkundigt, umso besser kann diesen im Reiseland begegnet werden.
- Wichtige Hygienemaßnahmen vor Ort beachten: kein Leitungswasser trinken – auch nicht zum Zähneputzen verwenden -, auf Salate bzw. geschältes/dünnschaliges Obst verzichten, kein Genuss von rohem Fleisch oder Fisch, nach einem Toilettenbesuch konsequentes Händewaschen und wenn möglich – desinfizieren nicht vergessen.
- Viele Reisekrankheiten äußern sich zunächst durch schwer zuordenbare Symptome wie u.a. Fieber, Übelkeit oder Mattigkeit. Sollten diese nicht in relativ kurzer Zeit wieder verschwinden, ist es ratsam, vor Ort einen Arzt aufzusuchen. Bei Kontakt mit Tieren – z.B. durch Speichel oder durch Biss – sollte der Arzt umgehend aufgesucht werden.
Statements:
„Reiseführer & Co. können zwar eine gewisse Orientierung am Reiseziel gewährleisten. Für wichtige Maßnahmen wie der Vorbeugung von Infektionskrankheiten ist aber der Arzt die richtige Ansprechperson. Er weiß genau, welche Vorkehrungen für welche Reise unbedingt notwendig sind und welche eine zusätzliche Absicherung, auch für weniger häufig auftretende Krankheiten, darstellen.“
OMR Dr. Klaus Haslwanter, Vizepräsident der Ärztekammer für OÖ
„Reisemedizin ist heute viel mehr als „nur“ Vorbeugung von Krankheiten durch Impfungen. Ausgehend von der zunehmenden Vielfalt an Reisezielen und –tätigkeiten geht es um zusätzliche Beratung und Vorabinformation über eine Vielzahl an Risikofaktoren, die während der Reise auftreten können – Reisemedizin will aber nicht die Gefahr, sondern die Gesunderhaltung des Reisenden in den Vordergrund stellen.“
Univ.-Prof. Dr. Herwig Kollaritsch, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Reise- und Touristikmedizin
„Ein dynamischer Wirtschaftsraum wie Oberösterreich hat viele Firmen mit internationalem Engagement. Damit deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für ihre Auslandseinsätze reisemedizinisch optimal betreut werden bedarf es einer Ärzteschaft mit Kompetenz. Dank der Linzer reisemedizinischen Tagung haben wir jedes Jahr die Möglichkeit, uns auf höchstem wissenschaftlichen Niveau weiterbilden zu können und so diesen Anforderungen noch besser gerecht zu werden. Dadurch sind wir auch in der Lage, dem Freizeitbedürfnis nach Mobilität und dem sich ständig wandelnden Interesse der Menschen an fremden Ländern, Kulturen und Abenteuern am aktuellen Wissenstand reisemedizinisch nachzukommen.“
Dr. Elisabeth Dienstl, ehemalige Präsidentin der Medizinischen Gesellschaft OÖ