Herz-Kreislauf-Erkrankungen beanspruchen nach wie vor in der westlichen Welt Rang 1 auf der Liste der Todesursachen. 36 Prozent der Männer und 44 Prozent der Frauen sterben an dieser Erkrankung. Damit ist die Sterblichkeitsrate bei Frauen durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen neunmal so hoch wie bei Brustkrebs.
Die Gefahr, zu erkranken, ist bei Männern meist bis zum 60. Lebensjahr höher als bei Frauen. Frauen sind besonders nach der Menopause dafür anfällig. Laut Forschungsergebnissen übt das Hormon Östrogen eine schützende Funktion auf die weiblichen Gefäße aus. Nach der Menopause verliert das Östrogen mehr oder weniger diese Schutzfunktion.
Problem der veränderten Wahrnehmung
„Das größte Problem, bei Frauen rechtzeitig eine Erkrankung festzustellen, ist, dass sie mit anderen Symptomatiken zum Arzt gehen als Männer“, so Dr. Herbert Mayr, Facharzt für Innere Medizin in Wels mit Schwerpunkt Herz-Kreislauf-Erkrankungen. „Während Männer meist einen mit Angst verbundenen Schmerz oder eine Beeinträchtigung im Brustbereich wahrnehmen, klagen Frauen über einen altersbedingten Leistungsabfall und atypische „Herzschmerzen“ in der Bauch- und Rückengegend. Sie übergehen einen Herzinfarkt leichter als Männer.“
Das Resultat? Sie kommen später zur Behandlung, der eingetretene Schaden ist dann um einiges höher als bei Männern, wenn sie sich erstmals einer medizinischen Untersuchung unterziehen. Hinzu kommt, dass Frauen auf Akutinterventionen nach einem Herzinfarkt weniger gut ansprechen als das männliche Geschlecht.
Risikofaktoren
Der Hauptrisikofaktor für eine Gefäßerkrankung stellt, neben der genetischen Anlage, das Alter, unabhängig vom Geschlecht, dar. Je älter die Gefäße werden, desto anfälliger sind sie.
Neben klassischen Risikofaktoren wie Rauchen, ungesunder Ernährung, Stress oder Cholesterin hat sich bei Frauen ein weiterer eigenständiger Faktor herauskristallisiert: eine komplizierte Migräne, die Symptome wie Augenprobleme mit sich zieht.
Unterschiedliche Ausprägungen bei Frauen und Männern zeigen sich beim Risikofaktor Diabetes Typ 2. Hinzu kommt die Erkenntnis, dass Frauen, die in der Schwangerschaft an einer Glucose-Intoleranz leiden, ein größeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufweisen als Patientinnen, die davon nicht betroffen sind.
Dieser geschlechtsspezifische Unterschied zeigt sich bei der Gefäßinnenhaut, auch Enthodel genannt. Sie ist – je nach Bedarf – für die Erweiterung oder Verengung der Gefäße zuständig, reagiert bei Frauen anders als bei Männern und kann ihre Reaktivität verlieren, wenn krankhafte Bedingungen vorliegen. Ob eine gezielte medikamentöse Behandlung in diesem Zusammenhang möglich ist, ist noch nicht sicher.
Geschlechtsspezifische Behandlungsmethoden
Grundsätzlich sind alle Möglichkeiten der Behandlung für beide Geschlechter anwendbar. Dennoch zeichnen sich auch hier Unterschiede ab. „Männer stehen technischen Maßnahmen offener gegenüber, sie lassen sich eher zu Bewegung motivieren, während Frauen mehr auf die psychosozialen Behandlungen wie z.B. Stressabbau ansprechen“, erklärt Dr. Mayr. Auch im Bereich einer Änderung des Lebensstiles – Umstellung auf gesunde Ernährung, Verzicht auf Zigaretten – ist das weibliche Geschlecht motivierbarer.
Auch bei der medikamentösen Therapie müssen die geschlechtsspezifischen Unterschiede (Aufnahme-/Abbau der Medikamente, Verteilungsvolumen, Interaktionen der Begleitmedikationen, etc.), die derzeit schon teilweise bekannt sind, noch weiter herausgearbeitet und individualisiert werden.
Auch die Vorsorgeuntersuchung müsse, so Dr. Mayr, individualisiert werden. Familiäre gesundheitliche Vorbelastungen wären auf jeden Fall Faktoren, die für eine konsequente Vorsorge sprechen würden. „Eine definitive Untersuchung im Vorfeld gibt es aber nicht!“, betont Dr. Mayr. „Belastungs-EKGs sind zum Beispiel bei Frauen meist weniger aussagekräftig als bei Männern. Es können Gefäß-Veränderungen vorliegen, müssen aber nicht zwingend auf eine Herz-Kreislauf-Erkrankung hinweisen. Als beste Vorsorge empfehle ich daher, gesund zu leben!“