Pressekonferenz zur 23. Linzer reisemedizinischen Tagung: Ich bin dann mal weg!

Die reisemedizinische Tagung widmet sich heuer unter dem Motto „Ich bin dann mal weg“ reisemedizinischen Fragen bei Langzeitaufenthalten. Neben den gewohnten Updates aus der Reisemedizin wird diesmal Astronaut Hans Schlegel bei der Pressekonferenz über die reisemedizinischen Aspekte der Raumfahrt sprechen.

Ich bin dann mal weg … und krank!

Personen mit länger dauernden Reisen stellen besondere Herausforderungen für die Reisemedizin dar – und das unabhängig davon, ob die Reise aus beruflichen oder privaten Gründen erfolgt. „Manche Reisen führen in Regionen, die im Vergleich zu der bei uns praktizierten medizinischen Maximalversorgung – wenn überhaupt – nur über eine dürftige Infrastruktur verfügen. Dies betrifft nicht nur entlegene Regionen wie Wüsten oder Hochgebirge, somit also die Gruppe der Abenteuer- oder Expeditionsreisenden, sondern beispielsweise auch Seeleute und Personen im humanitären Einsatz“, sagt Prof. DDr. Martin Haditsch, Facharzt für Hygiene, Mikrobiologie, Infektiologie und Tropenmedizin im Travel Med Center Leonding.

Dabei können sich besondere Herausforderungen bei längeren Auslandsaufenthalten ergeben:         

  • nicht vorhersagbare epidemiologische Veränderung mancher Infektionskrankheiten während des Langzeitaufenthaltes         
  • unvorhersehbare Änderungen der Aufenthaltsregion(en)         
  • von Standardreisen deutlich abweichende Mengen und Zusammensetzungen der Reiseapotheke         
  • deutlich komplexere Fragestellungen durch Tätigkeit, Lage des Einsatzgebietes oder des betroffenen Personenkreises (mitreisende(r) Partner, Familie)        
  • erforderliche Flexibilität und Entscheidungsfähigkeit bei limitierten Kommunikations-, Bergungs- und sonstigen Versorgungsmöglichkeiten

„All dies war schon immer eine sehr komplexe Herausforderung. Der globale Klimawandel wie auch die Verschleppung von Krankheitserregern durch zunehmenden und durch die Nutzung von Flugzeugen als Haupttransportmittel immer schnelleren internationalen Tourismus haben Risiko-Einschätzungen und Vorhersagen noch schwieriger gemacht“, sagt Prof. DDr. Haditsch. Resistenzentwicklungen wiederum haben nicht nur Einfluss auf die Möglichkeiten der medikamentösen Prophylaxe zum Beispiel bei Malaria, sondern stellen auch – und das vor allem bei Langzeitaufenthalten – im Erkrankungsfall eine enorme therapeutische Herausforderung dar.

Viele der tropischen Länder waren und sind noch immer Ausgangspunkt von Epidemien. Diese betreffen primär Einheimische, allerdings gleicht sich das Risiko Reisender in Abhängigkeit von der Aufenthaltsdauer oftmals jenem der Einheimischen an. Prof. DDr. Haditsch sagt: „Wie schnell und zum Teil dramatisch derartige Ausbrüche stattfinden können, ist historisch an Pocken, Grippepandemien (zuletzt 2009/10) und SARS (2003) und in der jüngeren Vergangenheit eindrucksvoll an den Beispielen Cholera, Ebola, Zika, Pest und Gelbfieber belegt.“ Speziell bei diesen Reisen kommt somit einer gewissenhaften Vorbereitung einschließlich der Feststellung der Reisetauglichkeit, einer entsprechenden medizinischen und nicht-medizinischen Reiseausstattung, einer guten Versicherungsdeckung wie auch – insbesondere bei zugrunde liegenden Krankheiten – einer Optimierung der medizinischen Versorgung vor Ort einschließlich der Variante einer ärztlich begleiteten Reise eine besondere Bedeutung zu.

Zunehmend reisen auch Personen mit sensiblen zugrunde liegenden Krankheiten – bei vielen kann es selbst in zahlreichen städtischen Regionen dieser Welt bei Beeinträchtigungen sehr schnell zu kritischen Situationen kommen. Immer wieder sind Reisende dann letztlich auf eine eigenständige und eigenverantwortliche Versorgung angewiesen, am besten illustriert am Beispiel einer wohl bald auch touristisch nutzbaren Innovation: der Raumfahrt.

Ich bin dann mal weg … in die endlosen Weiten!

Ausgehend von persönlichen Erfahrungen aus seiner 30-jährigen Astronautenlaufbahn mit zwei eigenen Shuttle-Flügen und der langjährigen Unterstützung von Langzeitaufenthalten von anderen ESA- und NASA-Astronauten auf der ISS (International Space Station) wird Hans Schlegel bei der reisemedizinischen Tagung sehr anschaulich über die besonderen Bedingungen des Lebens und Arbeitens in der Schwerelosigkeit berichten. „Die medizinischen Bedingungen in der Schwerelosigkeit verlangen nach sorgfältiger Auswahl, langjähriger Vorbereitung und fortwährender medizinischer Betreuung der Astronauten. Reisemedizinische Aspekte sind nicht nur während des halbjährigen Raumfluges an sich, sondern auch während des Trainings in Kasachstan, Russland, Japan, Kanada, USA und in Europa fortwährend zu beachten und in die operationelle Planung miteinzubeziehen“, sagt Hans Schlegel, Diplom-Physiker und Astronaut.  

Nach den expliziten Beschreibungen der medizinischen Effekte in der Schwerelosigkeit wird sofort klar, dass die Rückkehr in die „normalen” Bedingungen der Schwerkraft genauso ein reisemedizinisches Problem darstellen. Die „vollständige“ Rehabilitation des Astronauten nach seinem Raumflug dauert genauso lange wie sein eigentlicher Raumflug.

Hans Schlegel sagt: „Die Erforschung der Auswirkungen der langanhaltenden Schwerelosigkeit auf die Physiologie des Menschen steht immer noch am Anfang, genauso wie die Auswirkungen der anderen frei wählbaren Parameter der Umweltbedingungen in einem abgeschlossenen künstlich stabilisierten Lebensraum. Zusätzlich kommt erschwerend hinzu, dass die medizinische Diagnose und Behandlung nur via Telemedizin gewährleistet ist und die Erreichbarkeit qualifizierter Spezialisten und deren Hilfe, je nach Missionsart, nur zeitverzögert gewährleistet sein kann. Diese Tatsache macht sichere Flüge zum Mars und zum Mond zu einer besonderen Herausforderung, selbst wenn man von der deutlich hohen, unkontrollierbaren Strahlenbelastung absieht.“

Ich bin dann mal … auf Fortbildung!

Einige der wichtigsten Szenarien sind Themen der heurigen Linzer reisemedizinischen Tagung. So wird es unter anderem Referate von einem reisebegleitenden Arzt, einem Kollegen aus Indien, der junge Personen während ihres freiwilligen sozialen Jahres und ähnlicher Aktivitäten betreut, einem Schiffsmediziner und einem reisemedizinisch bewanderten Kinderarzt geben. Dazu kommen spezifische Informationen zu arbeitsmedizinischen Fragestellungen durch einen der leitenden Ärzte des Auswärtigen Amtes in Berlin und ein Einblick in die Versorgung und Versorgungsmöglichkeiten vor Ort durch einen international einsatzerprobten Kollegen.

Traditionell wird die Veranstaltung durch die Medizinische Gesellschaft für Oberösterreich wie auch die Österreichische Gesellschaft für Arbeitsmedizin unterstützt. Die Linzer Reisemedizinische Tagung ist mittlerweile unverzichtbarer Teil der Fortbildung reisemedizinisch orientierter Ärztinnen und Ärzte nicht nur aus Österreich.

„Österreich beginnt im internationalen Kontext langsam, aber sicher bei der reisemedizinischen Fort- und Weiterbildung an Boden zu gewinnen. Nachdem viele Jahre lang nur die Linzer reisemedizinische Tagung das Flaggschiff für Fortbildung auf diesem Gebiet war, kann jetzt auf neue Fortbildungsangebote, die teilweise auch in die diesjährige Tagung schon integriert sind, aufmerksam gemacht werden“, sagt Univ.-Prof. Dr. Herwig Kollaritsch.

Dr. Peter Niedermoser sagt: „Seit 2015 können Ärztinnen und Ärzte das ÖÄK-Zertifikat ,Reisemedizin‘ in 32 Unterrichtseinheiten erwerben. Somit wurde eine anerkannte Basisausbildung im Fach Reisemedizin etabliert, die auch formal Anschluss an die internationale Entwicklung gewinnen kann. 2016 wurden erstmals strukturierte Basisausbildungskurse in Reisemedizin abgehalten.“

Der „Zertifikatskurs Reisemedizin“, ein viertägiges Intensivseminar für Ärzte mit abschließender Prüfung und schildfähigem Befähigungsnachweis, wurde als fixer Angebotsbestandteil der ärztlichen Fortbildung in Österreich etabliert. Univ.-Prof. Dr. Herwig Kollaritsch sagt: „Seit Mai 2015 wurden bereits fünf reisemedizinische Zertifikatskurse in Österreich abgehalten, wobei alle Kurse mit bis zu je 60 Teilnehmern ausgebucht waren. Hervorzuheben ist die perfekte Zusammenarbeit mit der Arztakademie und dem deutschen Centrum für Reisemedizin CRM, dessen Standards teilweise übernommen wurden. Das Feedback aus der Kollegenschaft ist hervorragend, die Zustimmung jedes Mal 100 Prozent. Damit hat Österreich erstmals eine zertifizierte eigenständige Fortbildung auf dem Gebiet der Reisemedizin.“

Nähere Informationen können auf den Websites der ASTTM und der veranstaltenden Firma MedEXCITE abgerufen werden, ebenso wie eine Vorschau auf weitere Kursangebote. Die Linzer reisemedizinische Tagung gilt als ideale Ergänzung zu den angebotenen Kursen und stellt außerdem einen DFP-anrechenbaren „Refresher“ für den Basiskurs Reisemedizin dar. Dieser ist gemäß Ärztekammer zwar nicht obligatorisch, jedoch angesichts des raschen Wissenzuwachses in der Reisemedizin absolut sinnvoll. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dürfen also gespannt sein, was sie auf der 23. Linzer Reisemedizinischen Tagung erwartet. Einen kleinen Einblick ins Programm finden Sie auf der nächsten Seite, nähere Infos gibt es unter www.asttm.org – 23. Linzer Reisemedizinische Tagung – Programmheft.

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